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Stadia, schön war's!

Am 29. September hat Google verkündet, dass der Cloud-Gaming-Dienst Stadia zum 18. Januar 2023 eingestellt wird. Google zahlt alle Käufe von Hardware und Spielen zurück, lediglich die Kosten für das Pro-Abo werden nicht erstattet. Auch die Spiele-Entwickler*innen wurden kalt von dieser Nachricht erwischt, was diese für eine Kompensation zu erwarten haben, steht noch nicht fest. Ich selbst war ein Stadia Pro User der ersten Stunde und möchte hier einmal aufschreiben, weshalb ich es schade finde, dass Google diesen Dienst einstellt.

Zielgruppe? Schwierig

Die Zielgruppe von Stadia war sicherlich nicht die größte zu Beginn. Hardcore-Gamer vertrauen dem Game-Streaming nicht in Bezug auf Latenz. Da Google nicht nur die Technik, sondern auch die Einkaufsplattform bieten wollte mussten Leute Spiele exklusiv bei Stadia und nur für Stadia kaufen – für weitere Leute ein Hinderungsgrund. Wobei das Thema an sich nichts Neues ist. Wer von einer Playstation zu einer Xbox gewechselt ist oder vom PC-Gaming zu irgendeiner Konsole musste auch schon immer alle Spiele auf dieser Plattform neu erwerben.

Casual Gamer

Aber es blieb durchaus eine Zielgruppe übrig: Casual Gamer und so einer war und bin ich. Ich zocke nicht ständig und es muss auch nicht das allerneueste AAA-Game sein. Mein Gaming-PC habe ich 2015 zusammen gebaut und seitdem einmal die Grafikkarte aufgerüstet auf eine GTX 1660 Super und irgendwann mal noch eine SSD verbaut und ein paar RAM-Riegel nachgesteckt, als sie gerade günstig waren. Mein Monitor hat keine 144 Hz und der PC schafft auch nicht immer 60 fps – trotzdem hab ich Spaß am Spielen.

Sweetspot

Stadia war da genau die passende Plattform für mich. Spiele habe ich dort eh nur gekauft, die mir mein PC nicht mehr erlaubt hätte zu spielen (z.B. Cyberpunk 2077) oder wenn sie günstig waren. Aber auch sonst bot Stadia Vorteile, die selten herausgestellt wurden. Beispielsweise hatte ich dank Stadia mit einem Schlag nicht nur mehr Gaming-Power am PC sondern auch das klassische Konsolen-Feeling auf dem Sofa mit dem Controller am Fernseher.

Gute Erlebnisse

Diverse Partien des Spiels Trials Rising hab ich mit Freude vom Sofa aus mit dem Controller gezockt. Dem Controller gab ich auch bei Cyberpunk 2077 eine Chance, aber das hat mir nicht so getaugt, also wechselte ich einfach zum PC und habe dort mit Maus und Tastatur weiter gespielt – ging ja einfach. Apropos Cyberpunk 2077: Als das Spiel im Dezember 2020 rauskam blieb ich bis spät in die Nacht auf um es sofort anzuspielen. Dank Cloud-Gaming konnte ich direkt nach Release losspielen, während andere noch dutzende Gigabyte herunterladen mussten und erst 45 Minuten später loslegen konnten. Auch lief das Spiel bei mir ohne nennenswerte Performance-Probleme oder größere Bugs sodass ich tatsächlich ein rundum positives Spielerlebnis hatte!

Mit dem Pro-Abo gab es jeden Monat ein paar Spiele umsonst. Manchmal völlig unbekannter Kram, manchmal aber auch durchaus bekannte Spiele, so z.B. mehrere Teile der Tomb Raider-Reihe oder Control. Einmal war unter den kostenlosen Spielen auch "Little Nightmares", woraufhin meine Freundin und ich ein langen Abend auf dem Sofa saßen und uns stundenlang durch die Story von Little Nightmares spielten, den Controller zwischen uns hin und her wechselten und gemeinsam rätselten.

YouTube Integration

Als Fan der Baldur's Gate-Reihe freute ich mich sehr, als für Stadia die Early Access-Phase von Baldur's Gate 3 gestartet wurde. Dabei testete ich auch mal ein YouTube-Feature. So konnte man den Chat mit in Entscheidungen im Role-Play-Game einbinden ("Crowd-Choice"), was für einen Stream natürlich eine tolle Interaktion ist und damals gut funktioniert hat.

Bei Cyberpunk 2077 habe ich einige Tage lang das Live-Streaming-Feature von Stadia direkt zu YouTube ausprobiert – also ohne dass ich von meinem Rechner mit einer Software wie OBS streamen musste. Einmal eingerichtet reichte in Stadias Seitenmenü ein Klick um den Live-Stream auf dem verknüpften YouTube-Kanal zu starten. Dabei hatte ich einige Audio-Probleme, weshalb ich nach ein paar Tagen wieder zum konventionellen Stream via OBS wechselte. Aber auch dabei war mein Rechner so entlastet, dass ich in 4k spielen und streamen konnte.

Downsides

Natürlich war nicht alles gut an Stadia. Das offensichtliche Problem, was jetzt wohl auch zum Scheitern geführt hat, war, dass man nicht genügend Leute für die Plattform begeistern konnte, was wiederum bei Vielen an der verhältnismäßig sehr eingeschränkten Spiele-Auswahl lag. Da machen es Konkurrenten wie Nvidia mit Geforce Now schon besser: Dort wird lediglich das Cloud-Gaming als Technik-Service angeboten, man streamt am Ende aber nur Spiele aus der eigenen Steam-Bibliothek. Geht Geforce Now einmal pleite ist nur das Cloud-Gaming weg, nicht jedoch die gekauften Spiele oder Fortschritte in diesen Spielen.

Aber auch für überzeugte Stadia-User war nicht alles rosig. Die angekündigten Features, wie die oben beschriebenen YouTube-Integrationen, kamen erst später zum Dienst dazu. Sich nicht um Installationen kümmern zu müssen hatte Vor-, aber auch Nachteile. Bei Baldur's Gate 3 gab es in der Early Access-Phase einmal einen Patch, der verlangte, dass man neu anfängt. Am PC hätte ich das Einspielen dieses Patches einfach aufschieben können, bis ich den bis dahin spielbaren Bereich durchgespielt hätte. Bei Stadia war halt einfach irgendwann der Patch eingespielt und ich musste von vorne anfangen.
Googles Ansatz von Cloud-Gaming würde wohl auch das Aus für eine Modder-Szene bedeuten, da man natürlich nicht mehr Spieldateien austauschen könnte. Definitiv ein Aspekt, den ich an Stadia negativ gesehen habe.

Kosten: Pro? Abo? Was?

Googles Kommunikation war sicherlich auch nicht hilfreich für den Dienst. Stadia startete anfangs nur für Stadia Pro-User in eine Art Beta-Phase – man musste also für den Dienst bezahlen. Es war von Anfang an klar, dass sich das nach einigen Monaten ändern sollte, dennoch las man auch später immer wieder, dass Stadia ja ein Abo-Modell habe bei dem man trotzdem noch Spiele kaufen müsse. Dabei war das die meiste Zeit von Stadias Existenz falsch. Man konnte bei Stadia einfach auch nur einmalig ein Spiel kaufen und dieses dann dauerhaft spielen ohne weitere Kosten. Der Pro-Account (9,99 Euro im Monat) hat einem dann 4k-Streaming (sonst nur 1080p), Dolby Atmos, ein paar kostenlose Spiele pro Monat und Sonderangebote im Store verschafft. Hätte Google es geschafft das besser zu kommunizieren wäre die Akzeptanz vielleicht auch noch höher gewesen.

Fazit

Am Ende bereue ich meinen Ausflug in die Cloud-Gaming-Welt kein bisschen. Da Google versprochen hat alle Kosten für Hardware und Spiele zurück zu erstatten habe ich also lediglich 10,- Euro im Monat bezahlt, um fast drei Jahre lang Spiele spielen zu können, die ich teils sonst nicht hätte spielen können. Dazu konnte ich mal erfahren, wie das Zocken vom Sofa aus mit einer Konsole wäre. Des Weiteren konnte ich ausgiebige, praktische Cloud-Gaming-Erfahrung sammeln und muss auch gestehen, dass ich als Software-Entwickler begeistert von der Technik war! Daher schließe ich mit der Überschrift: Stadia, schön war's!