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Zukunfts(re)vision

Vor gut zehn Jahren habe ich mir in einem Blog-Beitrag namens "Das Leben mit der Technik - ein normaler Tag in 5 Jahren?" überlegt wie – der Titel lässt es erahnen – ein normaler Tag im Jahr 2014 in Bezug auf Technik aussehen könnte. Mal schauen, was sich so getan hat und ob fünf weitere Jahre später vielleicht immerhin diese Ideen Realität geworden sind.

Morgens, mein Wecker klingelt und begrüßt mich mit einem meiner Lieblingslieder. Auf dem Display werden mir die für heute anliegenden Termine angezeigt. Dazu auch das für die jeweiligen Orte prognostizierte Wetter, wonach ich an diesem Tag meine Kleidung angemessen auswählen werde.

Überhaupt kein Problem. Kalender-Apps bieten auch Wetter-Daten für die Termine mit an und diese Apps haben in der Regel auch immer ein Widget, das man sich irgendwo auf den Start-Screen legen kann. Wecker(-Apps) die Musik statt nerviger Töne spielen sind auch nichts neues.

Nachdem ich mich nun aufgerafft habe und wirklich aufgestanden bin schlendere ich ins Bad. Meine Wecker-Station hat dies mittels eines Sensors registriert und es an die Küchengeräte gemeldet. Der Kaffee fängt an durchzulaufen und der Backofen springt an. Die Aufbackbrötchen habe ich natürlich selbst am Vorabend dort schon hinterlegt. Während des Frühstücks lese ich Nachrichten und schaue schonmal nach meinen Emails.

Schwierig schwierig, ein klares Jein würde ich sagen. Es gibt inzwischen diverse IoT (Internet of Things) Küchengeräte, im Alltag sind diese aber bei weitem noch nicht angekommen. Und nur weil ein Anbieter sein Gerät per App steuerbar macht heißt das leider noch lange nicht, dass es auch automatisch ansteuerbar ist, also im Idealfall eine API besitzt. Die Verbindung mit den Sensoren müsste vermutlich auch Handarbeit sein, weil es gar nicht so einfach ist festzulegen worin sich denn nun ein simples "Ich stehe kurz auf und gehe ins Bad, lege mich danach aber nochmal hin" von einem "Ich steht jetzt auf, gehe ins Bad und hätte danach gerne frischen Kaffee und Brötchen" unterscheidet. Technisch zwar alles machbar, aber Alltag? Nein.

Mein Smartphone nutzt derweil den Leerlauf und berechnet schonmal, mit der integrierten Navigationssoftware, anhand meines ersten Termins im Kalender für heute und mit aktuell aus dem Web geladenen Verkehrsinfos, meine Fahrzeit. Ich trödle etwas, weil ich bei einer Meldung hängen geblieben bin, daher warnt mein Smartphone mich, dass ich in spätestens fünf Minuten los muss, wenn ich pünktlich beim Termin sein will. Die Strecke dauert heute etwas länger, wie die Berechnung ergeben hat: Es gibt eine Baustelle, weshalb ich einen Umweg fahren muss.

Gibt es seit Jahren im Android-Umfeld, sofern der Termin mit Ortsdaten und Uhrzeiten versehen ist. Funktioniert allerdings glaube ich nur, wenn das Google-Universum benutzt wird, also der Termin muss im Google Kalender stehen und nicht in einer anderen Kalender-App. Es sollte mich wundern, wenn Apple da nicht auch was in petto hat.

Ich beeile mich nun, schnappe mir alles was ich brauche und gehe einfach mit meinem Schlüssel aus der Wohnung. Ein RFID-Chip im Schlüssel sorgt beim Verlassen der Wohnung dafür, dass alle nicht benötigten Geräte ausgeschaltet werden und die Heizung etwas herunterfährt.

Es braucht nicht RFID sein, aber durch Erkennung der Position via GPS und schaltbaren (Zwischen-)Steckdosen lässt sich das einfach realisieren. Ein Produkt von der Stange gibt es hier nicht, aber das liegt eher darin, dass man mehrere Dinge kombinieren muss. Wer aber beispielsweise IFTTT nutzt und WeMo-Steckdosen hat kann das vermutlich zügig umsetzen.

Während der Autofahrt bekomme ich einen Anruf, es geht um einen neuen Termin am nächsten Tag. Mein Smartphone meldet sich nach Ende des Gespräches. Es hat ein Schlagwort für einen Termin erkannt und eine Datums- sowie Uhrzeitnennung und fragt mich nun, ob die erkannten Daten korrekt sind und sie gleich in meinen Kalender eingetragen werden sollen, ich bestätige mit Spracheingabe.

Soweit ich weiß gibt es das so nicht. Aus Datenschutz-Sicht wäre es auch etwas unheimlich, wenn eine Software permanent meine Anrufe mithört und analysiert. Aber wer weiß, seit der Google I/O von letzter Woche wissen wir ja, dass Android in Zukunft viel Spracherkennung offline machen kann, eventuell wird das dann kommen. Für den Chat hingegen gibt es das sogar, also wer über Androids aktuell favorisierten Chat-Client unterwegs ist (ist es noch Allo?) kann den Assistant nutzen und der kann so etwas glaube ich bereits. Aber chatten ist während der Autofahrt natürlich nicht so ratsam.

Das Navi lotst mich zum nächstgelegenen freien Parkplatz bei meinem Termin. Es ist mit dem städtischen Verkehrssystem verbunden und konnte während meiner Fahrt darüber abfragen wo noch Parkplätze frei sind, ihn reservieren und wenn ich ihn wieder verlasse wird automatisch entsprechend meiner Verweildauer bezahlt.
Beim Termin greife ich auf alle relevanten Daten über das Internet zu, welches inzwischen flächendeckend mit sehr guter Anbindung verfügbar ist.

Das einfachste zuerst: Die flächendeckende Verfügbarkeit von Internet wird immer besser. Schwierigkeiten sind eher noch auf dem Land, wo man immer mal wieder im Edge-Land landet.
Das Parken, ja... es gibt diverse Apps, die mit unterschiedlichen Ansätzen versuchen freie Parkplätze zu ermitteln, aber dass es jetzt normal im Alltag wäre, eventuell sogar direkt im Navi integriert – leider nein. Ob es darüber auch automatisches Bezahlen gibt ist mir auch nicht bekannt.

Zur Mittagspause schlägt mein Smartphone mir Restaurants in der Nähe meines Standortes vor unter Berücksichtigung meines nächsten Termins.

Im Prinzip ja, aber das Smartphone weiß nicht wie lange ich esse und informiert mich nur, wann ich wieder los muss, sofern mein nächster Termin mit Uhrzeit und Ort im Kalender steht. Aber Google Maps empfiehlt inzwischen selbst alles mögliche in der Nähe und gerade für Restaurants gibt es natürlich diverse Spezial-Apps. Außerdem kann Maps einem auch Stoßzeiten von Geschäften anzeigen, worüber man abschätzen könnte, ob es dort gerade eher voll ist oder noch leer.

Während ich aufs Essen warte hat mich via Bluetooth eine Litfaßsäule auf meinem Smartphone kontaktiert und präsentiert ihre Inhalte. Unter anderem dabei ein Theaterstück was mich interessiert, ich bestelle Karten vor und bekomme zur Mailbestätigung mit den digitalen Eintrittskarten eine Datei für meinen Kalender: sie beinhaltet neben den Infos zur Uhrzeit und dem Tag der Aufführung auch GPS-Koordinaten zum Ort und eine Service-Telefonnummer für Rückfragen. Die Daten fügen sich nach Bestätigung automatisch im Kalender ein.

Nicht so wirklich normal heute. Bei Bestellungen gibt es Kalender-Daten (z.B. beim Zug), die man anschließend einfach mit allen nötigen Infos übernehmen kann oder auch Tickets (z.B. beim Fliegen). Litfaßsäulen sind immer noch sehr analog und eigentlich bin ich darüber auch sehr froh. Gerade erst letztes Jahr hat Google wegen Spam Nachrichten über ihr Nearby Feature selbiges wieder deaktiviert, womit die Umgebung mit Android-Geräten kommunizieren konnte. Zugegebenermaßen ist mir das in Deutschland aber nie begegnet.

Nach dem Essen lese ich kurz den QR-Code auf der Speisekarte mit dem Link zum Bewertungsportal ein, bevor ich gehe. Die Bewertung nehme ich dann später abends in Ruhe vor.

Seit Jahren völlig normal. Viele Restaurants haben kleine Aufsteller auf dem Tresen, einen Hinweis im Menü oder einen Aufkleber im Fenster mit Links (teils als QR-Code) zu ihrem Yelp-Profil oder welches Portal für das Restaurant auch immer gerade relevant ist.

Kurz bevor ich Feierabend mache weise ich meinen Medienreceiver zuhause noch übers Internet an einen Film für den Abend herunterzuladen. Danach mache ich mich auf den Weg nach Hause. Der GPS-Chip erkennt die Fahrt nach Hause und weist die Heizung schonmal an, wieder etwas hochzufahren.

Die Smart Home Lösungen von heutzutage bieten Möglichkeiten etwas auszulösen, wenn sich jemand auf dem Heimweg befindet. Da das Smart Home bei weitem noch nicht "Alltag" ist, kann man zwar nicht davon sprechen, dass diese technische Lösung im Leben eines/r jeden vorkommt, aber möglich ist es.
Das Voranschreiten von Streaming-Diensten wie Netflix oder Amazon Prime hat dazu geführt, dass komplette Downloads im Vorhinein nicht mehr nötig sind. Und gleichzeitig sind sie auch so verbreitet, dass sie tatsächlich zur Normalität geworden sind.

Daheim angekommen möchte ich mir noch fix zum Film schauen etwas zu essen kochen. Ich fotografiere den Inhalt meines Kühlschranks, eine Software erkennt den Inhalt, gleicht ihn mit einer Datenbank für Rezepte ab und schlägt mir vor, was ich daraus nun kochen könnte. Ich filtere noch nach einfachen Kochrezepten und kurzer Zubereitungszeit und mache mich dann ans Werk.

Jein, ein Foto vom Kühlschrank reicht nicht oder jedenfalls ist mir nichts bekannt, das zuverlässig von einem Foto in den Kühlschrank alle Zutaten erkennt. Rezeptvorschläge auf Basis von vorhandenen Zutaten hingegen gehen schon, aber dann muss man die vorhandenen Zutaten eben abtippen. Die App "Beste Reste" beispielsweise nimmt drei Zutaten entgegen und gibt einem daraufhin passende Rezepte. Einen Filter für Zubereitungszeit gibt es – jedenfalls bei dieser App – jedoch nicht.

Nach dem Essen und dem Film lese ich noch etwas auf dem Sofa. Es ist grade Mitternacht, da springt mein Smartphone an und erinnert mich, dass Susi in einer Woche Geburtstag hat und wie alt sie wird. Dazu zeigt es mir ihre von ihr im Web gepflegte Geburtstagswunschliste und bietet mir an, davon etwas zu bestellen. Ich entscheide mich für ein schönes Buch, lasse es aber zu mir liefern, weil Susi erst zwei Wochen später feiert und ich ihr das Geschenk dann erst persönlich geben möchte.

Separat sind all diese Dinge möglich, in der Kombination ist es mir jedoch nicht bekannt. Geburtstage werden einfach im Kalender eingetragen mit einer Erinnerung von "1 Woche vor dem Termin" versehen. Wunschlisten können Leute beispielsweise bei Amazon pflegen. In Verbindung steht das jedoch alles nicht.

Um das Raumlicht brauche ich mich nicht zu kümmern, das geht automatisch an, wenn ich irgendwo hineinkomme und wenn ich eine Minute nach Verlassen des Raumes nicht wiederkomme geht es automatisch wieder aus. Nachdem ich im Schlafzimmer bin und auch die Nachttischlampe ausgeschaltet habe fährt die Heizung runter bis zum nächsten Morgen.

Nicht der Alltag aller Menschen, aber problemlos und erschwinglich möglich. Für die Verbindung der Nachttischlampe zur Heizung müsste man vermutlich etwas beim Aussuchen der Komponenten schauen, aber das lässt sich machen. Das automatisch ein- und ausschaltende Raumlicht ist sogar auch ganz konkret mein Alltag seit mehreren Jahren. Ich habe das Philips Hue Lichtsystem bei mir zuhause mit Bewegungssensoren in den Durchgangszimmern, sodass ich dort nie Lichtschalter betätigen muss. In der Nacht geht das Licht wiederum nur stark gedimmt an, sodass man genug sieht aber niemanden weckt und auch selbst nicht völlig aus der Umnachtung gerissen wird.

Fazit

Viel davon ist heutzutage möglich und machbar, aber von Alltag ist leider keine Rede – eventuell in der Tech-Bubble, aber selbst da wäre ich mir nicht sicher. Vermutlich eher vereinzelte Dinge dieser Liste, aber nie die Gesamtheit. Mal schauen, ob es sich in ein paar Jahren lohnt diesen Artikel erneut auf die Probe zu stellen.

Titel-Foto by Alex Knight on Unsplash