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Weshalb E-Voting eine schlechte Idee ist

Einleitend kurz eine Begriffsklärung, weil E-Voting ein weites Feld ist. Ich beziehe mich hier auf die Durchführung von demokratischen Wahlen zur Regierungsbildung, z.B. Landtagswahlen oder Bundestagswahlen. Weshalb ist E-Voting nun also eine schlechte Idee? Wir technisieren doch heutzutage alles mögliche, wieso also nicht auch Wahlen?

Die simpelste Antwort: es löst kein Problem. Aber ich verstehe, viele technische Lösungen in anderen Bereichen machen wir auch nur "weil es geht". Das Problem an E-Voting aber ist: es löst nicht nur kein Problem, es schafft vor allem welche.

Was sind die Eckpunkte unseres aktuellen Wahlsystems mit Zettel und Stift? Es ist simpel und damit für jede Person verständlich und nachvollziehbar! Man kann die Wichtigkeit dieses Punktes gar nicht genug unterstreichen. Um Vertrauen in das Funktionieren eines Wahlsystems in der Bevölkerung zu erhalten, muss die Bevölkerung verstehen wie es funktioniert und nachvollziehen können, wie es zu den Ergebnissen kommt. Zu Wissen, dass man das Ergebnis notfalls selbst überprüfen könnte, wenn auch nur theoretisch, ist enorm wichtig!
Durch die Abgabe des Wahlberechtigungsscheins werden doppelte Stimmenabgaben verhindert. Durch die verdeckte Stimmabgabe und das anschließende Einwerfen in eine verschlossene Wahlurne und die Nichtunterscheidbarkeit der Wahlzettel bleibt die Wahl anonym. Zu guter Letzt wird das Ergebnis durch einfaches Addieren von Stimmen (Kreuzen auf dem Wahlzettel) ermittelt. Für keinen dieser Schritte wird besonderes Fachwissen benötigt, man könnte mit einem Kind eine Wahl durchspielen und das Prinzip ist nachvollziehbar.

Wird dieses Prinzip ins Internet übertragen oder allgemein auf Computer, ergeben sich viele Schwierigkeiten. Versucht man zu verhindern, dass Stimmen doppelt abgegeben werden und will gleichzeitig die Anonymität waren, kommt man in Probleme. Zu guter Letzt soll die abgegebene Stimme natürlich auch fälschungssicher sein. "Signaturen, Zertifikate und Kryptografie to the rescue" mag der Technik-Nerd hier rufen. Und wir haben 2019, sicherlich hat auch irgendwer "Blockchain" gesagt. Sollte man tatsächlich ein System, das allen Anforderungen gerecht wird programmieren können, ist spätestens jetzt klar: Die Nachvollziehbarkeit für die Bevölkerung ist dahin! Und machen wir uns nichts vor, als Software-Entwickler kann ich versichern: eine so komplexe Software wird Fehler haben! Und Menschen werden diese Fehler finden. Oder man stelle sich vor, das System ist so komplex, dass Menschen die Fehler nicht finden und niemand bemerkt's. Jegliche Zweifel am Wahlergebnis können nicht mehr entkräftet werden, weil das System so komplex ist, dass nur noch eine Handvoll Menschen überhaupt erfassen kann, wie es zustande kommt.
Dazu kommt noch, solch komplexe Software wird von Privatfirmen im Auftrag der Regierung entwickelt. Man würde also mal eben die Regierungsbildung in die Hand von Firmen legen.
Daher, so sehr ich Technik schätze: E-Voting ist und bleibt eine schlechte Idee!

Wie ich da gerade überhaupt drauf komme? In der Schweiz steht E-Voting aktuell mal wieder zur Debatte und es wurden eklatante Probleme in der Software entdeckt. Hernâni Marques, Sprecher des schweizer Chaos Computer Clubs, sagte gegenüber heise online "Eine Manipulation wäre selbst bei einer Überprüfung des Wahlsystems nicht feststellbar gewesen beziehungsweise es hätten gefälschte Verifikationsbelege erstellt werden können". Na schönen Dank auch.
In Deutschland wird aktuell noch kein E-Voting eingesetzt für die Stimmenabgabe, aber auch hierzulande wird die Stimmenabgabe computergestützt gesammelt und ausgewertet. Das heißt, die Menschen, die die Stimmen auszählen, tragen diese in eine Software ein mit deren Hilfe dann das Wahlergebnis ermittelt wird. Der Chaos Computer Club fand im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 in dieser Software ebenfalls Möglichkeiten zur Manipulation. Aktuell, wenn so etwas auffällt, könnte man immer noch die abgegebenen Stimmen von Hand nachzählen. Hoffen wir also, dass wir lange bei Stift und Papier bleiben.

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