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"Segeln ist die schönste Art zu reisen"

Mit diesen Worten des irischen Barkeepers im Pub in Marstal (Dänemark) stießen Germar und ich mit unserem Kilkenny an der Theke an. Das Pub war leer, außer uns nur zwei Gäste und der launige Barkeeper, der uns zuvor all seinen Frust wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage damals in Irland erzählt und Fotos von Protesten auf seinem Handy gezeigt hatte. Noch ein Kilkenny, dann bezahlten wir und verließen das Pub. Wieder raus in den Regen und zu Fuß durch die dunklen Gassen des kleinen Ortes am Rande der dänischen Insel Ærø. Am Hafen angekommen noch einmal kurz austreten - bevor man nachts bei dem Regen das Boot nochmal verlassen muss - und dann ging's über die rutschigen Planken des Stegs wieder an Bord unseres Segelbootes, der Heloise.

Das Team

Doch ich sollte die Geschichte von vorne beginnen. Drei Wochen zuvor war ich mit Olli in Hamburg beim Tagesfestival "Beats auf der Bahn" und es traten "Die Beginner" auf. Zu dem Zeitpunkt gab es von der Gruppe seit Jahren nichts Neues und dass man sie (noch) mal Live sah hatte Seltenheitswert. Mein Smartphone brummte, Nathalie - mit der ich vor Jahren zur Berufsschule gegangen war - schrieb: "Wollte nur mal was Fragen, hast du noch Resturlaubstage? Wenn ja - hättest du bock aufn Segel Turn auf der Ostsee?" Zwei Tage später hatte ich schon Urlaub genommen und fest zugesagt.
Die Crew bestand insgesamt aus sechs Personen: Germar (Skipper und einzige Person mit ausgeprägter Segel-Erfahrung), Kira, Jonas, Nathi, Alex und mir. Außer Nathi kannte ich niemanden vor dem Törn. Unser Boot war eine bei Niro Petersen gecharterte Bavaria namens Heloise.

Kennenlernen

Am 21.09.2013 ging es mit dem Auto los. Nathi, Alex und ich fuhren von Hannover ab und sammelten beim Ikea noch Jonas auf und dann ging's mit ein paar kleineren Staus direkt nach Flensburg. Die Autofahrt war schon mal ganz lustig und ich lernte die anderen bereits etwas kennen. In Flensburg angekommen, es war inzwischen 18 Uhr, stieß ich dann auch zum ersten Mal auf Kira und Germar. Die beiden waren bereits schon früher am Tag angereist, hatten den Einkauf erledigt und alles in den Baxkisten verstaut.
Nachdem alle Sachen an Bord waren und klar war, dass wir den Abend nicht mehr rausfahren würden, machten wir Essen: Pizza backen an Bord? Kein Problem. Es schmeckte super, wir saßen unter Deck zusammen und lernten uns alle weiter kennen.
Ich hatte das Glück eine Koje für mich alleine zu haben und so schlief ich entspannt die erste Nacht an Bord unseres Bootes bei leichtem Schaukeln.

In See stechen und auf Land laufen

Der nächste Morgen startete mit einem Frühstück an Bord, Nathi und Alex hatten Brötchen geholt während wir anderen uns schon mal fertig und das Schiff bereit machten. Anschließend war Aufklaren angesagt - das heißt so viel wie "Aufräumen" im Segel-Jargon. Ich sollte die nächsten Tage noch diverse neue Worte lernen.
Anschließend ging es los. Germar fuhr anfangs ein paar Schleifen, wies uns ins Boot ein und wir holten die Segel einmal zur Kontrolle raus. Danach ging's unter Motor raus aus der Flensburger Förde. Unser erstes Ziel war Maasholm, wo wir auch nach etwa acht Stunden Segelzeit gegen 19 Uhr ankamen.

Bei der Einfahrt nach Maasholm kam ein kleines Segelboot mit einer Person in unseren Weg. Im Fahrwasser setzte er den Motor und holte die Segel ein ohne besonders um sich zu schauen. Wir mussten spontan einen Kreis fahren um eine Kollision zu vermeiden. Als wir wieder auf Kurs waren fuhren wir an dem kleinen Boot vorbei, wo der Mann noch mit dem Einholen der Segel beschäftigt war. Als die Segel eingeholt waren gab er mit seinem Motor Gas und zog sogleich an uns vorbei. Zu dem Zeitpunkt fanden wir ihn schon etwas komisch, aber nungut. Als er an uns vorbei war fuhr er einmal links aus dem Fahrwasser heraus, kam zurück und kreuzte dann quer über's Fahrwasser und verließ die Fahrrinne dann rechts. In diversen Häfen ist ein kurzzeitiges Verlassen der Fahrrinne nicht unbedingt schlimm, aber in Maasholm ist die Wassertiefe außerhalb der Fahrrinne keinen Meter und so kam es wie es kommen musste: Der Kreuz-und-Quer-Fahrer war auf Land gelaufen, nachdem er die Fahrrinne rechts verlassen hatte. Als wir ihn passierten versuchte er sich selbst wieder frei zu rütteln und machte keine Anstalten nach Hilfe zu fragen. Während unserer Einfahrt nach Maasholm behielten wir ihn im Blick mit der Absicht die DGzRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) im Hafen zu verständigen, aber inzwischen hatte ihn ein kleines Fischerboot befreit.

Da es recht windig war fuhren wir nicht in eine der freien Boxen im Hafen, sondern machten uns außen an der Mole fest. Nach der Anmeldung beim Hafenmeister tranken wir erstmal einen "Anleger" - ein Rum der Marke "Windstärke 13" aus Flensburg, den wir die nächsten Tage jedesmal nach der Ankunft und dem Anlegen in einem Hafen trinken sollten. Der Abend war lustig, wir kochten gemeinsam unter Deck, aßen, erzählten und hörten Musik.

Begegnung mit der Arche

Ohne eine feste Zeit für's Aufstehen ausgemacht zu haben kamen wir nur gemächlich aus dem Quark und starteten nach einem Gruppenfoto vor einem Denkmal im Hafen gegen 12 Uhr. Den Tag auf See waren wir nur dem Fock-Segel (vorderes Segel) unterwegs - anfangs mit Reff (nicht voll rausgeholt) und später dann ohne. Spitzengeschwindigkeit des Tages waren 7 Kn (Knots/Knoten), was bis dato unsere schnellste Geschwindigkeit sein sollte. Irgendwann in der Ferne erblickten wir einen quadratischen Klotz auf dem Wasser, nach ein Blick durch's Fernglas scherzten wir, dass es die Arche Noah sei, die uns da entgegen kam. Als wir uns annährten sollte sich unser Gespür bewahrheiten: Von einem Schlepper wurde die Arche Noah über die Ostsee gezogen.
Am späten Nachmittag trafen wir in Laboe ein. Die Segel-Manöver den Tag über klappten schon besser und man merkte, dass sich das Team langsam einspielte und das Wissen sich festigte.
In Häfen schließt man das Boot in der Regel an den Landstrom an, vor allem um die Akkus zu schonen und sie aufzuladen. In Laboe wollte es irgendwie nicht klappen. Nach einigem Rumprobieren hatten wir den Fehler gefunden: es war unser Kabel. Nathi und Alex gingen auf Tour durch den Hafen und fragten bei anderen Seglern, ob sie uns ein Kabel leihen würden und glücklicherweise wurden sie fündig. Als Dank gab es eine Flasche Rotwein.
Wir anderen hatten schonmal das Essen vorbereitet und Kerzen verteilt, dennoch freuten wir uns natürlich nun doch noch Landstrom zu bekommen. Der Abend verlief wie die anderen: Eine illustre Runde bei gutem Essen, ein paar Bier und Kurzen und netten Unterhaltungen.

Rüber nach Dänemark

Am Morgen des 24. September machten wir noch einmal ein Gruppenfoto in Laboe, denn Kira verließ uns nun in ihren weiteren Urlaub. Unser Ablege-Manöver klappte problemlos und anschließend gönnten wir uns ein entspanntes Frühstück am kleinen Tisch oben an Deck des Bootes. Da der Wind unbeständig sein sollte wussten wir nicht genau wie schnell wir unterwegs sein würden den Tag und weil der Schlag rüber nach Dänemark anstand wollten wir kein Risiko eingehen. Heute segelten wir zum ersten Mal mit Groß- und Fock-Segel, die wir gleichzeitig ausholten - eine neue Situation und auch ein neues Manöver für uns. Anfangs hakte das Groß-Segel etwas, doch wir konnten das Problem lösen und anschließend lief alles gut.

Die weiteren Manöver am Tag liefen ebenfalls gut, auch konnten wir später einmal mit ordentlich Krängung (Neigung des Boots durch Winddruck) segeln. Eine Schrecksekunde durchfuhr uns, als Germar auf dem Weg zum Mast von einem umherirrenden Drahtseil am Kopf erwischt wurde. Nach kurzer Inspektion stellte sich heraus, dass das Seil nur eine Warze am Kopf erwischt und diese entfernt hatte. Germar dazu: "Die sollte eh mal weg."
Den Tag über behielten wir für unsere Verhältnisse eine starke Krängung bei, dazu machten wir in Spitze 7,6 Kn Geschwindigkeit und hatten leichten Wellengang bis 1,5m - aber niemandem wurde schlecht. Das war auch so ein Thema: Von der Küste kommend wurde meine Seefestigkeit lediglich bei Fahrten von Norddeich nach Norderney auf einer Frisia-Fähre zu Handballspielen auf die Probe gestellt. Glücklicherweise stellte sich nun heraus, dass mir auch das auf und ab am Segelboot nichts ausmachte, auch nicht unter Deck.
Am Spätnachmittag liefen wir in Marstal (Dänemark) ein. Wegen starken Windes lief unser Anlegemanöver nicht optimal, aber wir kriegten es hin. Zum Ankommen gab es einen Cuba Libre und das Essen wurde ein deftiger Kohl-Eintopf mit Kartoffeln. Nach so einem Tag auf dem Wasser genau das Richtige.
Über Funk hörten wir die Wettervorhersage von Delta Pappa 07, die uns leider schlechtes Wetter für den nächsten Tag prophezeite, an dem wir eine lange Strecke vor uns hatten.


Ruhepause und wieso 48 doch besser gewesen wären als 24

Gemeinschaftlich beschlossen wir morgens, dass wir einen Tag im Marstal liegen bleiben würden. Da die Nacht etwas unruhig war fragten wir bei der Verlängerung unserer Liegezeit beim Hafenmeister auch gleich, ob wir das Boot nochmal umlegen dürften auf die Seite, sodass wir nicht immer über den Bugkorb ein- und aussteigen müssten und außerdem ruhiger liegen würden. Alles kein Problem. Die Dänen sind so entspannt. Apropos Entspannung: Die gönnten auch wir uns. Alle verbrachten den Tag in totaler Ruhe, ich gönnte mir einen Tee an Deck mit Keks und schaute auf die schöne Ostsee hinaus.

Gegen Abend liefen wir ins Dorf um einzukaufen und ich machte noch ein paar Fotos. Später kochten wir dann, aßen und tranken von unserer frisch gekauften Palette Bier. Später waren von den 24 Dosen Heineken nur noch 10 übrig. Beim Einkauf hatte ich bei der Frage, ob wir nicht lieber 48 Dosen kaufen sollten, noch gesagt "Wer soll denn 48 Dosen an zwei Abenden trinken?". Tja, die Geschichte darf ich mir heute noch anhören. Jedenfalls traf es sich, dass wir beim Einkaufen im Dorf ein Plakat gesehen hatten, dass in einem Pub jeden Abend ab 21:30 Uhr Live-Musik sein sollte. Außer Germar hatte niemand nach dem Essen mehr Muße nochmal raus zu gehen. Es lag wohl auch daran, dass es inzwischen draußen stark regnete. Wir ließen uns davon nicht abhalten, packten uns gut ein und gingen nochmal durch den Regen ins Dorf. Das beworbene Pub hatte geschlossen, so wie sonst auch fast alles im Ort, aber schnell fanden wir zwei Ecken weiter noch ein Irish Pub, das geöffnet hatte. Was dort passierte wisst ihr ja bereits vom Anfang der Geschichte. Gegen 2 Uhr nachts waren wir dann wieder zurück an Bord und in unseren Kojen.

Letzte Station: Sønderborg

Um 6:30 Uhr klingelte der Wecker und alle kamen gut aus den Federn, sodass wir um 8:15 Uhr den Hafen von Marstal verließen. Vor uns lagen 38 Meilen rüber nach Sønderborg. Das Wetter war den Tag über wunderschön, viel Sonne und blauer Himmel. Nur leider hielt sich manches Mal der Wind arg zurück, doch zum Segeln reichte es glücklicherweise immer. Zwischenzeitlich hängten Alex und ich uns mal auf Luv bei schöner Krängung mit den Sicherungsseilen aus dem Boot - nach anfänglichem Vertrauensaufbau gegenüber den Seilen war das ein schöner Spaß.


Zum Schluss übernahm ich mal das Steuer, anfangs unter Segel und nach dem Segel-Einholen-Manöver dann weiter unter Motor, bis wir in Sønderborg waren. Der Gäste-Anleger in Sønderborg ist schön gelegen, direkt an einer langen Promenade im Ort, daneben die Straße parallel zum Anleger und auf der anderen Straßenseite diverse Restaurants - sehr idyllisch.

Unseren letzten Abend starteten wir erstmal mit käseüberbackenen Brötchen an Deck, dazu ein Bier und wir brachen die Cherry-Flasche an. Später begannen wir nebenher in dieser gemütlichen Runde das Essen vorzubereiten und alles zu schnippeln. Der Abend war herrlich, man konnte problemlos lange an Deck sitzen, über uns der Sternenhimmel und nachdem wir die Reispfanne verputzt hatten war auch kein Hunger mehr da. Zu dritt saßen wir später noch lange an Deck, tranken Bier und leerten die Cherry-Flasche.

Rückfahrt

Am letzten Tag unserer Segeltour war ich bereits um 7 Uhr wieder aufgestanden und schlenderte mit der Kamera durch das langsam aufwachende Sønderborg um hie und da ein paar Fotos zu schießen. Auf dem Rückweg brachte ich Brötchen mit und wir frühstückten. Statt direkt danach nach Flensburg zurück zu schippern warteten wir noch die Öffnung der Brücke zum Alssund ab und fuhren diesen noch ein Stückchen runter wegen der schönen Natur bevor wir umkehrten und uns wieder auf den Weg nach Flensburg machten.

Der Wind war recht unterschiedlich. Manchmal waren wir gezwungen mit Reff zu fahren und hatten starke Krängung, dann wieder mussten wir den Motor einschalten, um überhaupt voran zu kommen. Vor Flensburg tankten wir das Boot in Seewig noch auf, nachdem der Automat dann endlich die vierte EC-Karte akzeptiert hatte. Pünktlich zum Sonnenuntergang liefen wir im schönen Flensburg ein und legten ein 1a-Anlegemanöver bei Niro Petersen hin. Als "Anleger" gönnten wir uns fünf aufgesparte Flaschen "Herri", mit denen wir es uns an Deck gemütlich machten bevor es in die Stadt auf eine Pita bei "Pappas Imbiss" und ein Getränk im Irish Pub ging. Auf dem Heimweg zum Boot kauften wir uns noch ein paar Bierchen und kamen an der Hökerei Johannsen vorbei von der unser Rum "Windstärke 13" kam. Zurück an Bord der Heloise saßen wir noch beisammen und leerten unsere mitgebrachten Getränke.


Fester Boden

Nach Absprache mit dem Charterer konnten wir noch in Ruhe frühstücken, anschließend räumten wir alles vom Boot und in die Autos und Germar machte die Boots-Übergabe. Wir verabschiedeten uns danach von einander und fuhren in zwei Autos zurück nach Hannover.
Was für eine herrliche Reise das war und für tolle Erfahrungen. Dabei ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass ich ein Jahr später mit einem Teil dieser Crew ein Boot kaufen sollte. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

Segeln 2013