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E-Commerce: Sind Chat-Bots der neue heiße Scheiß?

Die Kurzfassung: Nein. Der Artikel könnte hier nun enden und besser als Tweet durchgehen. Jedoch gibt es ein "Aber", denn ganz so simpel ist es wie so häufig nicht.

Wieso auf einmal eigentlich Chat-Bots?

Das Thema der Chat-Bots ist im letzten Jahr regelrecht hochgekocht, dabei sind Chat-Bots fast schon so alt wie das Internet selbst. Bereits in den 90ern gab es im IRC (Internet Relay Chat) Chat-Bots, die waren halt nur dumm. Und im Grunde sind sie das immer noch. Woher also das Revival? In den letzten Jahren kamen die digitalen Assistenten auf, seien es Apples Siri, Googles Now, Amazons Alexa oder auch Open Source-Selbstbaulösungen wie Jasper. Die Spracherkennung hat sich signifikant verbessert und der Mensch fing an mit dem Computer zu kommunizieren in einer Art, die ähnlich der Kommunikation mit Menschen ist. Dazu hat sich die Nutzung von Chat-Clients wie WhatsApp, Facebook Messenger, Hangouts, iMessage, Threema, Signal,... die letzten Jahre stark erhöht. Die Kombination aus beidem: Chat-Bots. So jedenfalls die Schlussfolgerung der Silicon Valley-Firmen.
Facebook hat mit "M" einen digitalen Assisten durch einen Chat auf den Markt gebracht (jedoch noch von Menschen unterstützt) und seine Messenger Platform für Firmen geöffnet, Google stellte auf der diesjährigen Entwickler-Konferenz I/O ihren "Google Assistant" vor, der auch über den neuen Chat-Client "Allo" ansprechbar ist und Microsoft hatte bei seiner Entwickler-Konferenz Build ebenfalls das Thema Bots auf der Agenda. Der Trend ist eindeutig.

Geld machen im E-Commerce

Die Verbindung zum E-Commerce brauchte nicht lange, denn wo viel Geld gemacht wird lässt sich durch Automatisierung sicherlich noch viel mehr Geld machen. So die Theorie. Aktuell gibt es in dem Bereich aber hauptsächlich Chat-Bots, die eher Info-Emails ersetzen. Beispielsweise dass eine Bestellung nun beim Versandunternehmen und somit unterwegs zum Kunden ist. Wen das vom Hocker haut, naja...

Mehr Emotionen!

Die Idee ist aber die Emotionalisierung. Gechattet wird heutzutage hauptsächlich mit Freunden, sei es beim Facebook Messenger oder WhatsApp (also auch Facebook...) oder oder oder "name-your-chat-client". Wenn jetzt zwischen Nachrichten von Ilse, Markus und Eike auch eine Nachricht von $Modemarke aufpoppt, die mir sagt, dass eine neue trendige Hose genau in meiner Größe gerade im Sonderangebot (a.k.a. "Sale") zum Verkauf steht ist die Emotionalisierung höher, denn das ganze findet in einem freundschaftlich geprägten Kontext statt, der damit viel persönlicher/privater ist als beispielsweise der Sale-Newsletter am Anfang der Woche in meinem Mail-Client. Und wenn der Chat-Kontakt noch mit einem netten Namen statt nur der Markenbezeichnung aufwartet wirkt das Ganze schon eher wie ein Freund, der nunmal ziemlich an Mode interessiert ist und sein Wissen teilen möchte.

Sinnvolle Anwendungen im E-Commerce

Ein Test in einer Kolumne bei t3n mit dem digitalen Concierge "GoButler" zeigte neulich sehr schön, dass nichtmal Chats mit Menschen zum kompletten Shopping-Erlebnis taugen. Wie soll das dann ernst mit einem Chat-Bot klappen? Einem Plapper-Roboter mühsam per Text mitteilen, welche Kommodo man gerade sucht oder was für eine Jacke gestaltet sich in der Praxis schwieriger. Da sind Produktbilder schon weitaus hilfreicher, durch die ein User einfach scrollen kann und anklickt was gefällt.

Support

Doch es gibt auch durchaus sinnvolle Anwendungen im E-Commerce. Bereits vielfach eingesetzt als Chat direkt auf Websites könnte ein Support via Chat-Bot funktionieren, der grundlegende Hilfe leisten kann: "Wo befindet sich mein Paket gerade?", "Ab wann gibt es Produkt XY wieder in Größe M?", "Wie kann ich Ware wieder zurück schicken?". Kann der Bot nicht weiterhelfen könnte er direkt an menschliche Support-Kollegen "weiterverbinden", die dann den Chat übernehmen.

Online zu Offline

Bei der grundlegenden Hilfe könnten auch die GPS-Daten eines Handys helfen, z.B. wenn der Chat-Bot mitteilen kann, wo in der Nähe des Users ein bestimmtes Produkt jetzt direkt im Laden gekauft werden kann.

Intelligente (Bild-)Suche

Intelligente Suchen könnten ebenfalls interessant sein. Beispielsweise hat man irgendwo ein begehrtes Kaufobjekt auf einem Bild gesehen und schickt dem Chat-Bot dieses Foto. Dieser macht im Hintergrund eine Bildanalyse und liefert das abgebildete Produkt zurück.

Empfehlungen

Des Weiteren wären auch die bereits bekannten Empfehlungsmechaniken für Chat-Bots einsetzbar. Dabei sollte natürlich auf Klasse statt Masse gesetzt werden und nicht 1x pro Stunde dem User wieder ein neues Produkt empfohlen werden. Das Resultat wäre sonst vermutlich, dass der Chat-Bot ganz schnell geblockt wird, weil er nervt.

Sale!

Zu guter letzt blieben natürlich die Hinweise auf Sonderangebote. Einerseits in der Form des simplen Hinweises ("Falls du es noch nicht gesehen hast, der Steam Summer Sale beginnt heute!") und andererseits in Verquickung mit Empfehlungen die Nachricht, dass ein Produkt, das eh bereits für mich interessant ist, nun auch noch im Sonderangebot ist.

Bevor'de nix kaufst, nimm'nen Gutschein

In Verbindung mit Chat-Bots wäre auch die Nutzung von Dynamic Pricing möglich. Beispielsweise:
- User: "Ich suche eine Skinny-Jeans in blau bis 80 Euro."
- Chat-Bot: "Wie gefallen dir diese drei?"
*Produktbilder mit Basic-Infos werden gezeigt*
- User: "Nee, ist irgendwie nichts dabei. Danke."
- Chat-Bot: "Gerne. Ich hätte noch diese Jeans im Angebot, die ist zwar etwas teurer, aber bei einem Kauf in der nächsten halben Stunde, könnte ich dir einen Rabatt-Gutschein über 10 Euro geben."
*Produktbild mit Basic-Infos einer Jeans für 99 Euro wird angezeigt*

Glaskugel

Wo die Reise hinführt werden wir in den nächsten Monaten und Jahren sehen. Aktuell sind die Chat-Bots noch eher ein Trend. Da die großen Player der Branche sich dieses Trends aber angenommen haben kann man davon ausgehen, dass sie ihre Marktmacht nutzen werden diesem Trend auch Gewicht zu verleihen und ihn nicht wieder abebben und in der Versenkung verschwinden zu lassen. Ich bin jedenfalls mal gespannt wie es sich entwickeln wird, wobei ich bisher der festen Überzeugung bin, dass das ein Thema sein wird, welches an mir persönlich vorüberziehen wird. Allein schon, weil die Anbieter soetwas nicht mit einem offenen Protokoll à la Jabber anbieten werden sondern die User zwingen werden Facebook Messenger, Slack o.Ä. zu nutzen.