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Am Tag als Fidel Castro starb

Am 25. November 2016 um 22:29 Uhr waren meine Freundin und ich gerade zu Fuß unterwegs durch Havanna, nicht ahnend, dass zeitgleich ein historisches Ereignis für Kuba eingetreten war. Nachdem wir im "Isla de la Pasta" gegessen hatten, schlenderten wir die Calle 23 hinauf - unser Ziel war der Jazzclub "La Zorra y El Cuervo".

Der Eingang zum Club ist markant, man betritt ihn nämlich durch eine alte, rote, englische Telefonzelle. Keine Schlange vor der Tür - Glück gehabt, das sah die Tage zuvor auch schon mal ganz anders aus. Der Türsteher wies uns lediglich darauf hin, dass bereits alle Tische belegt waren. Es führte eine Treppe hinunter zur Tür. In meinem Notizbuch vermerkte ich damals:

Nach dem Eingang rechts gleich die Kasse, links in L-Form verlief die Bar. Überall kleine Tische mit 2-5 Leuten dran, alles recht dunkel, genau geradeaus die Bühne, auf der die Band bereits spielte. Der Eintritt sollte pro Person 10,- CUC kosten, darin enthalten waren bereits zwei Cocktails. Wir bezahlten, suchten uns einen kleinen Platz vorne an der Theke, bestellten unseren ersten Mojito auf Kuba und kurz darauf wurde ein kleines Tischchen links neben der Bühne frei, wo wir uns hinsetzten und für die nächsten zwei Stunden auch bleiben sollten. Hach, herrlich! Ein Jazzclub, Mojito und eine Band, die schönen Jazz mit teils Skat-Gesang macht, so lässt sich ein Abend verbringen.

Fidel Castro es muerto

Am nächsten Morgen, es war Samstag der 26. November, war ich morgens bereits vor dem Frühstück kurz auf dem Balkon unser Unterkunft (einer Casa Particulares) gewesen um nach der über Nacht zum Trocknen rausgehängten Wäsche zu schauen. Maria Luisa, unsere Gastgeberin, kam gerade nach Hause, aber sie bemerkte mich nicht. Ich bemerkte jedoch, dass sie nicht so gut gelaunt war, wie das sonst immer der Fall war. Als wir kurz darauf gegen 9 Uhr zum Frühstück erschienen erwiderte sie unser "Buenas Dias" zwar, aber auch hier nicht mit der gewohnten Freudigkeit in der Stimme. Ihr nächster Satz klärte dann alles auf:

El Presidente,... Fidel Castro es...“ und sie machte eine Geste mit ihrem Finger über den Hals von links nach rechts „...muerto!.

Offiziell der Nation verkündet wurde die Botschaft per Fernsehansprache vom Bruder und aktuellen Staatsoberhaupt Kubas, Raúl Castro. Nach dem Frühstück schalteten wir zum ersten und einzigen Mal in unserem Urlaub den Fernseher ein: Überall (das heißt zugegebenermaßen beim Fernsehprogramm Kubas nicht so viel) gab es natürlich nur ein Thema.

Eine Nation trauert

In Havanna hissten diverse Geschäfte, Restaurants und Privathäuser kubanische Flaggen, oft sah man auch kleine A4-Zettel irgendwo kleben mit dem Konterfei Castros und einem Text daneben.
Das öffentliche Leben kam zwar nicht zum Erliegen, aber diverse Veranstaltungen wurden abgesagt, vor allem Feste, Konzerte und Clubs hatten geschlossen. Es wurde eine neuntägige Staatstrauer angeordnet, der Verstorbene wurde eingeäschert und es folgte eine letzte Reise, zur Gelegenheit des Abschied nehmens für das Volk, bei der die Asche Castros entlang der umgekehrten Route der "Karawane der Freiheit", mit der die Revolutionäre 1959 nach dem Sturz Batistas nach Havanna eingezogen waren, bis nach Santiago de Cuba gebracht wurde, wo am 4. Dezember dann die Beisetzung stattfinden sollte.

Cienfuegos

Wir reisten derweil am 27. November weiter zu unserem nächsten Ziel auf Kuba: Cienfuegos. In Cienfuegos war alle Tage, die wir dort waren, der Parque Jose Martí teils abgesperrt und es waren von morgens bis abends lange Schlangen vor dem Poder Popular Provincial, einem prunkvollen Gebäude an besagten Park, in dem die Menschen Abschied von Fidel Castro nehmen und sich in ein Kondolenzbuch eintragen konnten. Auf dem Platz vor dem Gebäude trafen wir am Abend des 28. den kanadischen Fotografen Bob Dalby, der mit uns ins Gespräch kam und fragte, ob wir uns auch einreihen würden, um an diesem "once in a lifetime event", wie er es nannte, teilzunehmen. Wir entschieden uns dagegen und beobachteten lediglich das Treiben.

Mittlerweile hatten wir erfahren, dass die Karawane am 30.11. auch durch Cienfuegos führen würde, nur die Uhrzeit ließ sich nicht so wirklich ermitteln. Mal hörte man 14 Uhr, dann eher 17 Uhr - wir stellten uns auf alles ein und nahmen uns für diesen Tag nichts weiter vor. Es stellte sich heraus, dass die Karawane ihren Weg nur wenigen Minuten von unserer Unterkunft, entlang der Punta Gorda, nehmen würde. Um 14 Uhr des letzten Novembertages stellten wir uns in die Sonne an die Straße - überall hingen kleine Flaggen an den Laternen, ein Boot war an der Punta festgemacht mit einer großen Flagge und ein Hotel um die Ecke hatte eine haushohe Kuba-Flagge gehisst. Man hatte eh das Gefühl, dass es in Kuba die Flaggen nur in Normalgröße oder riesig gab - dazwischen nicht.

Geduld ist eine Tugend

Langsam füllten sich die Straßen, aber wir warteten und warteten. Allmählich wurde es dunkel und wir wurden immerhin mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt. Gegen 19:30 Uhr gingen wir zum Anfang des Malecón. Zu Essen gab es nichts mehr, die Restaurants hatten alle geschlossen. Meine Freundin versuchte genauere Informationen zur Ankunftszeit der Karawane zu erfragen, doch es schien, als wenn niemand irgendetwas wüsste. Manche standen mit kleinen Radios herum, aber auch dort schien die Informationslage eher diffus zu sein, denn die Antworten variierten von "10 Minuten" zu "1 Stunde" - nur waren sich alle sicher, dass die Karawane noch nicht in der Stadt angekommen war. Wir entschlossen uns noch mal kurz zu unserer Casa zurück zu gehen, um wenigstens ein paar Kekse und etwas zu trinken zu besorgen, denn die Sonne hatte den ganzen Tag heiß runtergebrannt. Als wir die Unterkunft betraten, informierte unser Host José uns, dass es im Radio hieß, die Karawane wäre in einer Stunde da - als wir die Unterkunft jedoch 20 Minuten später wieder verließen war es immer noch "nur noch eine Stunde".

Zurück an der Straße setzten wir uns auf den Bordstein, anfangs herrschte eine gemütliche Stimmung vor, viele Leute standen herum und plauderten. Doch dann entstand eine gewisse Unruhe in der Menge, alle stellten sich hin und schauten erwartungsvoll die Straße herunter. Doch es passierte erstmal nichts. Die Stimmung blieb jedoch und es lag eine gewisse Anspannung in der Luft.

Gegen halb zehn, wir hatten mitterweile ganze sieben Stunden gewartet und meine Freundin hatte ihr Buch zuende gelesen, war es soweit. Mehrere Autos und Motorräder der Polizei passierten uns zuerst, dann ein LKW, auf dessen Ladefläche augenscheinlich Journalisten oder ein Kamerateam war und dann folgte der Wagen, der hinter sich Fidels Asche in einer Art kleinem Sarg hinter sich herzog. Die Karawane war nicht besonders geschmückt oder inszeniert, die Leute an der Straße riefen lediglich einige Sprechchöre ins Dunkel, aber auch das war weniger als wir erwartet hatten. Kurz danach kamen die Fahrzeuge auf dem Rückweg des Malecón noch einmal an uns vorbei und dann war's das auch schon. Die Personen waren auch kurz danach alle vom Straßenrand verschwunden und wir gingen ebenfalls nach Hause. José zeigten wir noch kurz unser Video von der Vorbeifahrt und dann verabschiedeten wir uns auch in unser Zimmer, packten unsere Sachen und gingen schlafen.

Am nächsten Morgen verließen wir Cienfuegos und kurz darauf dann auch Kuba, das nun vermutlich ganz anders war, als wir es noch vor wenigen Wochen betreten hatten.