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Eine Weltreise nicht machen - ein Gedankenspiel

Als mein Vetter und ich am Morgen des 31.12.2010 morgens früh in der Dunkelheit mit dem Taxi zum Hamburger Flughafen fuhren um von dort zur ersten Station, Mexico City, unserer Weltreise aufzubrechen hatten wir wohl einen ähnlichen Gedanken, über den wir uns kurze Zeit später austauschten: Was wäre, wenn wir nun statt der geplanten Reise einfach 2 Monate untertauchen und etwas völlig anderes machen würden?

Vor kurzem fiel mir diese Unterhaltung mal wieder ein und ich fragte mich, ob wir tatsächlich die Reise hätten vortäuschen können um derweil etwas anderes zu tun. Was man mit der Zeit anfangen würde war nebensächlich, ob man nun woanders hinreisen würde, die Zeit über einfach nur faulenzt und alle Serien schaut, die man schon immer mal sehen wollte oder an einem Projekt arbeitet für das man einfach mal Zeit brauchte - darum ging es nicht.
Der Gedanke war: kann man die Öffentlichkeit tatsächlich so täuschen, dass einem die Reise geglaubt wird ohne sie je gemacht zu haben?

Die Vorbereitung

Das würde einfach sein, denn man könnte ja die gesamte Vorbereitung tatsächlich machen solange die tatsächliche Reise später entfällt. Es würde alles glaubwürdiger machen und man hätte für die spätere Täuschung bereits Infos. Unsere Flugtickets oder Überweisungen hat nie jemand gesehen. Auch dass wir uns wirklich einen Wagen gemietet haben hat nie jemand belegt gesehen, ebenso wenig dass wir Unterkünfte gebucht haben. Solange man drüber schreibt, davon erzählt und 1-2 Anekdoten zum Besten gibt stimmt die Geschichte für die Öffentlichkeit.

Die Begleitung

Man müsste sich natürlich an den Reiseplan halten, der vorher öffentlich kommuniziert wurde. Ab und an Blog-Einträge schreiben bei deren Inhalt man viel im Web hätte recherchieren müssen um es glaubhaft zu machen. Zeitverschiebungen bedenken, für die Authentizität auch mal einige Tage nichts von sich hören lassen, weil "hier draußen ist das Internet noch nicht so weit verbreitet" oder sowas. Das Wichtigste: Details und Anekdoten - das haben wir schon bei "Reservoir Dogs" gelernt, machen eine Geschichte erst glaubhaft.
Medial würde das ganze natürlich durch Fotos unterstützt - für mich als Mediengestalter kein Problem für Laien Fotos zu retuschieren, die glaubhaft darlegen, dass wir gerade vor Machu Picchu stehen. (einige glaubten uns sogar tatsächlich einen Kurztrip nach New York von Toyko aus, nur weil wir eine Nachbildung der Freiheitsstatue von schräg unten fotografiert hatten und im Scherz geschrieben hatten, dass wir einen kurzen Abstecher zum Big Apple unternommen hätten...).

Die Nachbereitung

Fotos, Fotos und nochmal Fotos. Dazu Geschichten erzählen können, immer wieder Details einstreuen und hier und da eine urige Anekdote. Harte Fakten à la "zeigt mal die Flugtickets" oder "ich möchte mal die ganze Stempel im Reisepass sehen" wurden nie verlangt.

Fazit

Hätte man das ganze glaubhaft vortäuschen können? Ja, ich denke schon. Allerdings nur mit viel sorgfältiger Vorbereitung. Warum man sowas allerdings machen sollte ist mir schleierhaft - die Reise war eine der großartigsten Erfahrungen meines jungen Lebens und ich wüsste nicht, wie man die Zeit hätte besser nutzen können.

Ein fader Nachgeschmack bleibt allerdings von diesem Blog-Eintrag: Wie können wir medial vermittelten Geschichten vertrauen? Was unsere Reise belegt sind allesamt weiche Faktoren: Fotos und Geschichten. Uns wird geglaubt, weil unsere Freunde und Familie uns kennen und man da nicht alles hinterfragen muss. Das ist auch völlig in Ordnung, denn dieses Vertrauen genießen wir nur, weil wir in der Vergangenheit gezeigt haben, dass wir keinen Mist erzählen.
Jedoch wenn uns von anderer, persönlich unbekannter Stelle etwas ausschließlich medial vermittelt wird, sollten wir vielleicht wieder etwas kritischer Hinterfragen und nicht einfach alles hinnehmen.
Dazu fällt mir ein schönes Bild ein, das ich vor einiger Zeit im Web gesehen habe. Ein Sprayer schrieb an eine Wand "Question everything.", ein anderer Sprayer kommentierte "Why?".